Eine Fahrt im Shinkansen durch Japan, ein Kugelschreiber und ein Briefumschlag ...
Eine Legende der Automobilbranche, auch sechs Jahre nach seinem Tod: Der am 17. April 1937 in Wien geborene Ferdinand Karl Piëch war schon früh von Technik fasziniert - eine Leidenschaft, die sein ganzes Leben bestimmen sollte. Er studierte Maschinenbau in Zürich und begann seine Karriere bei Porsche, wo er maßgeblich an der Entwicklung des legendären Porsche 917 beteiligt war.
Mit Innovationen wie dem Fünfzylindermotor, der TDI-Technologie und dem quattro-Allradantrieb prägte er Audi und wurde schließlich 1993 Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG und somit zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten in der Automobilwelt.
Doch dies war nur der Auftakt. Im Jahr 1997 skizzierte Piëch in einem Shinkansen-Schnellzug zwischen Tokio und Nagoya auf der Rückseite eines Briefumschlags eine Idee, die die Automobilbranche verändern sollte. Im Gespräch mit Karl-Heinz Neumann, dem damaligen Leiter der Antriebsstrangentwicklung bei VW, skizzierte er einen Motor mit 18 Zylindern. Leistungsstark, revolutionär und anders als alles bisher Dagewesene. Dieses Konzept war die Geburtsstunde des Antriebsstrangs, aus dem sich später der legendäre Bugatti W16 entwickeln sollte.
Piëchs Faszination für das Überschreiten technologischer Grenzen war tief verwurzelt. Ihm schwebte ein Auto vor, das 1.000 PS leisten und eine Geschwindigkeit von 400 km/h erreichen konnte, ohne dabei die Raffinesse und Benutzerfreundlichkeit eines luxuriösen Grand Tourers zu verlieren. Dies war eine Idee, die von keiner bestehenden Fahrzeugarchitektur unterstützt werden konnte und die einen völlig neuen Ansatz in der Konstruktion erforderte.
Auf der Suche nach einer Automarke, die seine kühne Vision verkörpern könnte, zog Piëch Bentley und Rolls-Royce in Betracht. Doch während seines Osterurlaubs 1997 intervenierte das Schicksal, als sein Sohn Gregor darauf bestand, ein Spielzeugmodell eines Bugatti Type 57 SC Atlantic zu kaufen. Begeistert erkannte Piëch in Bugatti - einem Namen, der wie kaum ein anderer für Leistung und Luxus steht - die ideale Marke für sein Vorhaben.
Am 5. Mai 1998 waren die Markenrechte an Bugatti gesichert und die entsprechenden Verträge abgeschlossen worden. Daraufhin beauftragte Ferdinand K. Piëch seinen Freund, den renommierten Designer Giorgetto Giugiaro von Italdesign, mit der Entwicklung eines Konzeptes, das seiner Vision gerecht werden sollte. Giugiaro hatte bereits für die Marke Bugatti unter Romano Artioli den EB112 gestaltet, der aufgrund von Finanzproblem nicht in Serie ging. Darauf basierte dann der erste "VW-Bugatti".
Das Ergebnis war der Bugatti EB 118 - ein zweitüriges Coupé, dessen Modellbezeichnung auf den 18-Zylinder-Motor verweist. Vorgestellt wurde das Fahrzeug zur Überraschung der Öffentlichkeit bereits auf dem Pariser Automobilsalon im September 1998 und somit nur wenige Monate nach dem Erwerb der Marke durch die Volkswagen AG.
Im März 1999 folgte auf dem Genfer Autosalon die zweite Studie mit 18 Zylindern: die Luxuslimousine EB 218. Bereits im September desselben Jahres präsentierte Bugatti auf der IAA in Frankfurt den Supersportwagen EB 18/3 Chiron. Die Neuanordnung der Zahlen im Modellnamen erfolgte aus markenrechtlichen Gründen, da die Zahl 318 bereits von einem anderen Hersteller (BMW) geschützt war.
Ein weiteres Highlight folgte im Oktober 1999: Auf der Tokyo Motor Show wurde der EB 18/4 Veyron vorgestellt - das Konzept, das schließlich die Grundlage für das spätere Serienmodell bilden sollte. Anders als bei den vorherigen Studien stammte das Design diesmal nicht von Giugiaro, sondern entstand unter der Leitung von Hartmut Warkuß. Der Entwurf kam vom jungen tschechischen Designer Jozef Kabaň.
Im Jahr 2000 kündigte Ferdinand K. Piëch an, dass Bugatti ein Serienfahrzeug mit 1.001 PS bauen werde, das eine Höchstgeschwindigkeit von über 400 km/h erreichen solle. Die wahre Herausforderung lag jedoch nicht allein in der technischen Spitzenleistung - vielmehr galt es, Piëchs Vorgabe gerecht zu werden: ein Automobil zu erschaffen, das am Morgen 400 km/h fährt und am Abend für die stilvolle Fahrt zur Oper mit der Ehefrau geeignet ist.
Sein Anspruch war klar: Bugatti sollte das Außergewöhnliche, das Unübertroffene, das Optimale liefern. Jedes Fahrzeug musste ein Solitär sein. Unvergleichlich und einzigartig. "Nur das ist Bugatti", schrieb er einmal.
2005 wurde diese Vision Realität. Der Bugatti Veyron 16.4 wurde der Weltöffentlichkeit vorgestellt und setzte neue Maßstäbe in Leistung, Geschwindigkeit und Luxus. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 407 km/h und einer Beschleunigung von 0-100 km/h in 2,5 Sekunden war er das schnellste Serienfahrzeug der Welt - und bestätigte Bugattis Anspruch auf technologische Spitzenleistung.
Jenseits der Zahlen war der Veyron mehr als ein technisches Wunderwerk; er war die Verkörperung von Prof. Dr. Ferdinand K. Piëchs unerbittlichem Streben nach Perfektion. Auch heute, zwei Jahrzehnte später bleibt das Vermächtnis des Veyron unübertroffen. Er war eine Revolution, er war der Ursprung des Hypersportwagens und ein Zeugnis dafür, was möglich ist, wenn technisches Genie auf eine kompromisslose Vision trifft.
Prof. Dr. Ferdinand Karl Piëch führte Bugatti zurück an die Spitze des Automobilbaus und verlieh der Marke erneut ihre historische Bedeutung als Inbegriff von Leistung und Luxus. Und alles begann mit seinem unerschütterlichen Willen, das Außergewöhnliche zu schaffen.